МОСКВА, ЕВАНГЕЛИЧЕСКО-ЛЮТЕРАНСКАЯ ОБЩИНА СВВ. ПЕТРА И ПАВЛА
03 Июня 2012 года
Dreifaltigkeitssonntag - Trinitatis (3. Juni 20123)
Eph.3,14-21
14Daher beuge ich meine Knie vor dem Vater, 15nach dessen Namen jedes Geschlecht im Himmel und auf der Erde benannt wird, 16und bitte, er möge euch auf Grund des Reichtums seiner Herrlichkeit schenken, dass ihr in eurem Innern durch seinen Geist an Kraft und Stärke zunehmt.
17Durch den Glauben wohne Christus in eurem Herzen, in der Liebe verwurzelt und auf sie gegründet, 18sollt ihr zusammen mit allen Heiligen dazu fähig sein, die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe zu ermessen 19und die Liebe Christi zu verstehen, die alle Erkenntnis übersteigt. So werdet ihr mehr und mehr von der ganzen Fülle Gottes erfüllt. 20Er aber, der durch die Macht, die in uns wirkt, unendlich viel mehr tun kann, als wir erbitten oder uns ausdenken können, 21er werde verherrlicht durch die Kirche und durch Christus Jesus in allen Generationen, für ewige Zeiten. Amen.
Vor ein paar Jahren bekam ich die Aufzeichnung eines Chores zu hören, der unter anderem eine Messe von einem zeitgenössischen russischen Komponisten ausführte. Diese Messe hat bei mir nichts hervorgerufen als tiefe Enttäuschung, denn sie hatte mit einer Messe nichts gemein. Der Autor ging mit dem kanonischen Text mehr als frei um, und die Musik war weit entfernt vom Kontext eines Gottesdienstes. Der Komponist verwendete die Form einer Messe, aber er konnte sie nicht ausfüllen, denn er verwendete sie als Mittel sich selbst auszudrücken, während doch eine Komposition dieses Genres die Wahrheit Gottes ausdrücken soll, Seine Gegenwart in unserer Mitte. Aus dem gleichen Grund – nicht Gottes Willen zu erfüllen sondern menschliche Wünsche – sind die Kirchen in Europa und in den USA in die Krise geraten. Nehmen wir eine so allgemein bekannte Erscheinung wie die Frauenordination. Sie hat nichts gemein mit Geistlichkeit. Sie war die Folge einer politischen Bewegung und führte – wie meistens in solchen Fällen – zu sehr bedauerlichen Folgen: Spaltung, Trennung, Verringerung der Kraft des Zeugnisses der Kirche. Zu noch größerem Abstieg für die heutige Kirche führt der Versuch, ihr die Homosexualität als Norm im kirchlichen Leben aufzuzwingen.
Aber auch ohne diese hässlichen Extreme gibt es genug Probleme. Wenn in einer riesigen Kirche, die sowieso schon in Einzelräume unterteilt ist, 25 Leute im Gottesdienst sitzen, steht die Sache schlecht. Aber was kann man erwarten, wenn der Pastor zu einem Predigttext über eines der Heilungswunder Jesu über die Wunder der modernen Medizin spricht, ohne auch nur mit einem Wort den Erlöser zu erwähnen? Eine Kirche, die nicht nach Gottes Geboten lebt sondern nach menschlichen Gesetzen; eine Kirche, in der nicht Gottes Wort gepredigt wird sondern menschliche Errungenschaften, ist schon keine Kirche mehr, denn der Eckstein in ihr ist nicht Gott sondern der Mensch. Die wahrhaftige Kirche muss zu Gott hingewendet sein, und ihr Mittelpunkt muss Christus sein! Daran erinnert uns das heute gehörte Wort des Apostels Paulus: “...ER möge euch auf Grund des Reichtums seiner Herrlichkeit schenken, dass ihr in eurem Innern durch seinen Geist an Kraft und Stärke zunehmt. Durch den Glauben wohne Christus in eurem Herzen. In der Liebe verwurzelt und auf sie gegründet sollt ihr zusammen mit allen Heiligen dazu fähig sein, die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe zu ermessen und die Liebe Christi zu verstehen, die alle Erkenntnis übersteigt. So werdet ihr mehr und mehr von der ganzen Fülle Gottes erfüllt.“
Der Mensch liebt es von sich selbst zu sprechen, die Aufmerksamkeit auf seinen Standpunkt zu lenken. Für die Welt ist das völlig natürlich und normal. Wir jedoch schließen uns dem Volk Gottes an, um Christus zu finden und in ihm zu bleiben; nicht dazu, um selbst zu sprechen sondern um Christus zu hören. Und nicht nur zu hören, sondern um uns in sein Wort zu versenken, von ihm durchdrungen zu werden und es zur Grundlage unseres Lebens zu machen. Wir schließen uns dem Volk Gottes an, um von Christus selbst, von seinem Heiligen Geist so erfüllt zu werden, dass seine Gegenwart ein ständiger Faktor in unserem Leben ist. Die Gegenwart Christi, das Wirken des Hl. Geistes, verändert den Gläubigen. Diese Veränderung betrifft alle Sphären seines Lebens. Das bedeutet auch, dass ein Christ es vorzieht, nicht von sich selbst zu sprechen, wenn er sich der Welt zuwendet, sondern von der Gnade Gottes. Paulus wünscht uns „die Liebe Christi zu verstehen, die alle Erkenntnis übersteigt. So werdet ihr mehr und mehr von der ganzen Fülle Gottes erfüllt.“
Wenn du von etwas ganz erfüllt bist, wenn du von etwas begeistert bist, davon eingefangen, dann ist es völlig unmöglich darüber zu schweigen. Die Frage ist nur, wovon eingefangen? Im Leben gibt es soviel Interessantes. Und Gott … Na, wir gehen ja sonntags zur Messe, am Morgen beten wir, abends beten wir, und damit ist es gut. Ist es gut? Nein. Von der Höhe so eines Verständnisses ist es sehr einfach, auf ein rein formales Christentum abzugleiten, einfacher als es auf den ersten Blick scheint. Das Besondere an einem Christen ist, dass für ihn Gott immer an erster Stelle steht. Aber die erste Stelle besteht nicht darin, dass man bei jeder Gelegenheit die Bibel schwingt und sie womöglich überhaupt auswendig kennt, sondern darin, dass Christus in dir und mit dir ist und dich mit seiner Liebe umgibt. Wie schon gesagt, dieses Erfüllt-sein verändert, denn in diesem Fall bist du nicht allein auf dich gestellt, sondern Christus ist in dir. Und wenn Christus in dir ist, kannst du schon nicht mehr aggressiv gegen deinen Nächsten sein, denn du liebst ihn. Und wenn der Nächste sündigt, betest du für ihn und versuchst ihm zu helfen anstatt ihn mit Steinen zu bewerfen. Wenn Christus in dir ist, trägst du im Gebet nicht Gott die lange Liste deiner Wünsche vor, sondern horchst auf seine Stimme in dir, um zu verstehen, was Er von dir will und wie du seinen Willen erfüllen kannst. Für einen Christen ist das Gebet nicht ein Mittel zur Lösung irdischer Probleme sondern die Hinwendung zu Christus zwecks Vereinigung mit ihm, zwecks völliger Hingabe in seine Hände.
Im Zentrum des Lebens mit Christus steht der Sonntag, der Gott geweihte Tag, an dem wir uns versammeln um uns mit seinem Wort zu nähren, um den Segen des gemeinsamen Gebetes, die Gemeinschaft der Heiligen zu spüren. Wir versammeln uns, um uns auf besondere Weise mit Christus zu vereinigen im Sakrament der Eucharistie, welches wir erkennen und erleben müssen, wie Er es uns aufgetragen hat. Der Leib und das Blut Christi – das ist keine Tablette, die man einnimmt, nachtrinkt und vergisst, während sie segensreich wirkt. Die Wirkung des Sakramentes hängt direkt vom inneren Zustand des Menschen ab. Und wenn du den Leib Christi eingenommen hast um das sofort wieder zu vergessen, kommt nichts Gutes dabei heraus. Deshalb ist es wichtig, während des Abendmahls, genauso wie während des ganzen Gottesdienstes, sich auf Christus zu konzentrieren und nicht auf Gespräche mit den Nachbarn.
Wir kommen zu Christus und vereinigen uns mit ihm, damit wir die Möglichkeit erhalten, uns über uns selbst zu erheben, uns nicht auf das Irdische sondern auf das Himmlische einzustellen. Wir konzentrieren uns auf das Himmlische, damit wir den Alltag aus der Sicht der Ewigkeit beurteilen können, die Prioritäten in Übereinstimmung mit den ewigen Werten setzen und dann an die Lösung irdischer Probleme in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes gehen können. Und nur in diesem Fall werden wir fähig sein das zu tun, was in uns reiche Frucht für das ewige Leben trägt.
Zu Beginn habe ich über Beispiele von Zuständen in der Kirche gesprochen, die der Kraft des Zeugnisses von Gottes Volk großen Schaden zufügen. Aber, Gott sei Dank, gibt es auch andere Beispiele. Die Gemeinde des heute weltbekannten Klosters in Taizé begann mit zehn Personen. In verhältnismäßig kurzer Zeit verwandelte sie sich in ein riesiges Pilgerzentrum, in welches jährlich zehntausende Menschen strömen. Worin besteht die Kraft dieser Gemeinde? Warum zieht sie in unserem verderbten Zeitalter der verfallenden Geistigkeit und Seelentiefe so viele Leute an? Das geschieht deshalb, weil dort nur Christus, der Erlöser, und das Wort Gottes gepredigt werden. Dort kümmert man sich nicht um konfessionelle Unterschiede. Dort versucht man nicht zu beweisen, wer recht hat und wer nicht. Dort versucht man nicht, das Evangelium in ein Instrument politischer Ansichten oder ethnischer Zugehörigkeiten zu verwandeln. Dort spricht man über das Wichtigste für jeden Glaubenden oder Suchenden: über die Menschwerdung, den Dienst, die Leiden, den Tod und die Auferstehung Christi und über seine große Liebe. In Taizé versucht man nicht, menschliche Ambitionen in den Vordergrund zu rücken. Und darum bewahrt die dortige Bruderschaft Frieden und Einheit, obwohl verschiedenen Konfessionen zugehörig. An diesem Ort konzentriert man sich auf Christus. Und dank dieser Gemeinde kann man sehen: wenn man sich an einem Ort nur auf Christus konzentriert und auf nichts anderes, dann beginnt dort das himmlische Licht zu leuchten und zieht die Gläubigen wie die Suchenden an; dort geschieht etwas wirklich Wichtiges. Mauern spielen da keine Rolle. Die große Kirche in Taizé kann jeden Liebhaber klassischer Architektur in Verzweiflung versetzen, aber das stört nicht das Leuchten des Hl. Geistes.
Und genau so wird er unter uns leuchten, in unserer Gemeinde, trotz der fehlenden architektonischen Schönheiten, wenn wir uns auf dieses Leuchten konzentrieren. Denn, wie der Apostel Paulus spricht: Gott, „der durch die Macht, die in uns wirkt, unendlich viel mehr tun kann, als wir erbitten oder uns ausdenken können“. Ihm sei Ehre und Macht in Ewigkeit! Amen.