МОСКВА, ЕВАНГЕЛИЧЕСКО-ЛЮТЕРАНСКАЯ ОБЩИНА СВВ. ПЕТРА И ПАВЛА
02 Июня 2013 года
2. Juni 2013 1. Sonntag nach Trinitatis
Joh. 5, 39-47
Ihr erforscht die Schriften, denn ihr meint, in ihnen ewiges Leben zu haben, und sie sind es, die von mir zeugen; und ihr wollt nicht zu mir kommen, damit ihr Leben habt. Ich nehme nicht Ehre von Menschen; sondern ich kenne euch, dass ihr die Liebe Gottes nicht in euch habt. Ich bin in dem Namen meines Vaters gekommen, und ihr nehmt mich nicht auf; wenn ein anderer in seinem eigenen Namen kommt, den werdet ihr aufnehmen. Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander nehmt und die Ehre, die von dem alleinigen Gott ist, nicht sucht? Meint nicht, dass ich euch bei dem Vater verklagen werde; da ist einer, der euch verklagt, Mose, auf den ihr eure Hoffnung gesetzt habt. Denn wenn ihr Mose glaubtet, so würdet ihr mir glauben, denn er hat von mir geschrieben. Wenn ihr aber seinen Schriften nicht glaubt, wie werdet ihr meinen Worten glauben?
Viele Leute leiden an einem Fehler, den man mit vollem Recht als Sturheit bezeichnen kann. Er besteht in der Unfähigkeit einen anderen Standpunkt zu akzeptieren als den eigenen, obwohl man selbst nicht in der Lage ist zu erklären, warum man gerade so denkt und nicht anders. Ich habe das bei einigen Studenten des Orgelspiels getroffen. Ihnen wurde eingebläut, dass ein bestimmtes Musikstück so und nicht anders gespielt werden müsse. Sie können nicht erklären, warum es genau so gespielt werden muss, aber sie schließen andere Möglichkeiten absolut aus.
So etwas Ähnliches ging bei den Juden vor sich. Sie hatten konkrete Vorstellungen vom Messias, die sie hitzig verteidigten, obwohl die Quellen, aus denen sie ihre Vorstellungen speisten, sehr zweifelhaft waren. Die Hl. Schrift jedenfalls gehörte nicht dazu. Denn die Propheten sprachen vom leidenden Messias, von der Sühne für die Sünden der Welt, aber die Juden erwarteten einen siegreichen Zaren, der die politische Unabhängigkeit Israels wieder herstellen und seine Macht auf alle umgebenden Völker ausbreiten sollte. Es ist verständlich, dass Leute, die sich seit vielen Jahren unter Okkupation befanden, gerne unabhängig sein wollten, aber sogar in diesem Fall ist es unzulässig, Gottes Wort nach den eigenen Wünschen zurecht zu biegen, denn das Resultat kann sehr bedauerlich sein. Es könnte das passieren, wovon Jesus sagte: „und ihr wollt nicht zu mir kommen, damit ihr Leben habt.“ Der Messias war gekommen, genau der Messias, der von Gott durch die Propheten versprochen war, aber die Juden waren nicht so sehr an den Versprechungen der Propheten interessiert als an der Erfüllung ihrer eigenen Wünsche. Deshalb glaubten unter den Juden nur wenige an Jesus, die große Masse lehnte sowohl den Erlöser als auch die verkündete Frohe Botschaft ab. Die Folgen waren für sie sehr schlimm: Gott bestimmte ein neues erwähltes Volk und vertraute ihm den Dienst der Rettung an, während die Juden am Rand der Heilsgeschichte blieben. Es ist bemerkenswert, dass die Sturheit der Juden so stark war, dass sie auch heute, 2000 Jahre nach den Ereignissen des Neuen Testamentes, es vorziehen in ihrer Verirrung zu verharren und auf den warten, der schon vor langer Zeit gekommen ist. Auf wen warten sie? Wladimir Solovjov hat in seiner „Legende vom Antichrist“ beschrieben, wie die Juden den Antichrist für den wahren Messias annahmen und ihren Fehler nur rein zufällig erkannten. Man kann sich nur wundern, dass heute einige Führer der Christenheit von der geistlichen Einigkeit mit den Juden sprechen und sogar gemeinsame Gebete veranstalten. Man kann für die Juden beten, damit sie sich für den Heiligen Geist öffnen und an den bis heute von ihnen abgelehnten Jesus glauben, aber ich kann mir nicht vorstellen, um was man gemeinsam mit ihnen beten kann.
Die Hl. Schrift gibt uns viele Beispiele, positive wie negative. Die Juden sind ein sehr schlechtes Beispiel um es nachzuahmen. Ich sage das offen, denn es ist offensichtlich. Allerdings lohnt es sich nicht, stolz zu sein und die Nase hoch zu tragen, denn oftmals benehmen wir Christen uns nicht besser als sie. Auch bei uns bauen viele Leute ihr geistliches Leben nicht auf Gottes Wort sondern auf die eigenen Überlegungen auf. Diese Überlegungen führen zu allen möglichen Bräuchen, die nichts mit der göttlichen Offenbarung zu tun haben. Gar nicht zu reden davon, dass bei den heutigen Christen eine ungeheure Anzahl von rein heidnischen Traditionen gang und gäbe ist, die überhaupt nicht mit dem Evangelium vereinbar sind. Man denke nur an das Springen übers Feuer am Vorabend des Johannistages oder an den Brauch, die Spiegel zuzuhängen in einem Haus in dem ein Toter liegt. Solche Bräuche haben absolut nichts zu tun mit Christus, nicht mit den Aposteln. Nichtsdestotrotz werden sie sorgfältig gepflegt, obwohl sie nicht nur nicht zur Erlösung führen sondern sogar von ihr wegführen. Mehr noch. Die Leute glauben ernsthaft, dass die Pflege solcher Bräuche sie näher zu Gott bringt. Und wenn man sie fragt, warum sie so handeln, ist die Antwort die gleiche wie seinerzeit bei den Juden: die Autorität der Väter, die Autorität der Ahnen. Wenn diese so gehandelt haben, dann müssen wir das auch tun. Genau deshalb haben die Juden in den Wortgefechten mit Jesus sich dauernd auf die rabbinischen Traditionen berufen. Aber Jesus zeigt ihnen eine andere Quelle: „Ihr erforscht die Schriften, denn ihr meint, in ihnen ewiges Leben zu haben, und sie sind es, die von mir zeugen“.
Wenn du wirklich mit Gott sein willst, musst du dich auf sein Wort stützen und nicht auf menschliche Meinungen. Das ist es, was uns die Reformation gelehrt hat, die in einer Epoche ungeheurer menschlicher Verirrungen und Verderbtheit daran erinnert hat, dass nur das Wort des lebendigen Gottes die einzige Quelle göttlicher Offenbarung sein kann, an der der Gläubige sein ganzes Leben ausrichten soll. Und deshalb soll der Christ sich nicht an Traditionen und Bräuche halten, die nicht von Gott geboten sind, so alt sie auch sein mögen. Umso weniger dürfen sie kanonisiert werden, zum Dogma erhoben. Wir unterwerfen uns ausschließlich dem Wort Gottes. Alles, was dem nicht entspricht, muss entfernt werden. Gebräuche, die von ihm nicht geboten sind, aber ihm auch nicht widersprechen, können geübt werden, aber sie sind nicht zwingend. Denn die Rettung, die Erlangung des ewigen Lebens, hängt überhaupt nicht von ihnen ab.
Aber es ist auch wichtig sich an folgendes zu erinnern: die Rettung und das Leben gibt uns nicht die Schrift sondern Christus. Deshalb sagt er zu den Juden: „ihr wollt nicht zu mir kommen, damit ihr Leben habt.“ Die Bibel spricht uns von Christus, sie zeigt uns den Weg zu Christus, aber die Erlösung gibt uns Christus selbst. Deshalb kann der Umgang mit der Bibel nicht zum Ziel führen ohne Hinwendung zu Christus, ohne Gebet, ohne Öffnung für den Heiligen Geist, durch welchen der Mensch fähig wird, zur Wahrheit zu kommen.
Jesus hat zu den Juden gesagt: „ihr wollt nicht zu mir kommen, damit ihr Leben habt“. Das bedeutet nur eines: ohne Christus gibt es kein Leben. Folglich kann der, der versucht, die Wahrheit und das Leben außerhalb Christi, ohne Christus, zu finden, nur in den Tod gehen. Dementsprechend sind alle Gespräche über die Wahrheit, die in anderen Religionen liegt, sinnlos. Das zeitgenössische Judentum, der Islam und andere Glaubenslehren können einige menschliche Weisheit enthalten, aber sie führen nicht zur Rettung, nicht zum Leben. Und man kann sich nur wundern, dass die Leute sie fanatisch unterstützen und sich dadurch selbst um die Ewigkeit bringen. Wirklich, nichts ist schrecklicher als menschliche Sturheit. Wir können sie im heutigen Alltag sehen, wir können sie in der Hl. Schrift sehen, unter anderem auch im Gespräch Jesu mit den Juden. Mit Christus ist die versprochene Rettung gekommen. In ihm und mit ihm ist das Reich Gottes nahe gekommen, so nahe, wie das in der sichtbaren Welt möglich ist. Um dieses Reich zu erlangen, Erlösung und Leben, war nur eines erforderlich: an Jesus zu glauben. Umso mehr, als genau auf ihn die prophetischen Versprechungen hinweisen. Aber genau das haben die Juden nicht getan. Die Rettung befand sich buchstäblich auf Armeslänge entfernt, aber sie haben ihn abgelehnt, weil die eigene Meinung ihnen wichtiger war als das Offensichtliche.
Das Gespräch, von dem wir heute im Evangelium von Johannes gelesen haben, geht weiter. Denn auch in der heutigen Welt gibt es genügend geistliche Nachfolger der Juden, die Christus abgelehnt haben. Und genau wie damals steht Christus vor den Leuten, bietet ihnen Teilhabe am Reich Gottes, an der neuen Schöpfung an. Wollen wir an den Verheißungen des Herrn teilhaben? Wenn ja, müssen wir das künftige Leben bei Christus suchen und nicht bei menschlichen Traditionen und Meinungen. Wir suchen die Herrlichkeit Gottes und beten darum, dass der Heilige Geist uns jeden Tag in der Nachfolge Christi auf dem Weg der Erlösung und des Lebens zu den Toren der Ewigkeit führe.
Amen.